Geschichte: Die Lutter - Perlenbach der Südheide
Seltene Naturschönheiten machen die Südheide zu etwas
ganz Besonderem. Die Heidebäche, Moore und Bruchwälder sind Refugien für selten
gewordene Tier- und Pflanzenarten, die andernorts längst ausgestorben oder
stark gefährdet sind. Mit großem Aufwand werden hier Lebensräume für die
Zukunft bewahrt.
Eine wahre Erfolgsgeschichte der Region Celle ist das Naturschutzgebiet
Lutter. Der kleine Heidebach entspringt bei Weyhausen und
mündet nach etwa 26 Kilometern bei Jarnsen in die Lachte. Bemerkenswert
ist seine gute Wasserqualität. Darauf weist auch bereits der Name des
Baches hin. Lutter
bedeutet im Mittelhochdeutschen so viel wie: lauter, hell, rein oder
sauber.
Als Flussname kommt er recht häufig vor.
Der Heidebach Lutter vor der Renaturierung
Die namensgebende Reinheit des Lutter-Wassers geriet in der
Vergangenheit jedoch unter Druck. Zwar wurde sie nicht durch Industriebetriebe
verunreinigt, denn solche gibt es an den Ufern der Lutter nicht. Aber das
Wirken der Menschen vor Ort hatte dennoch negative Auswirkungen auf Flora und
Fauna. Das Wasser des Baches wurde bereits seit dem Mittelalter gestaut, um es
für den Antrieb von Mühlrädern zu nutzen und Fischteiche anzulegen. Die
typischen Erlenbruchwälder und Niederungsmoore wurden trockengelegt und
genutzt, um in der nährstoffarmen Heidelandschaft ein Auskommen zu
erwirtschaften. Was sich nicht als Weide oder Wiese eignete, wurde mit Fichten
aufgeforstet. Diese menschlichen Kulturmaßnahmen veränderten das empfindliche
Naturgefüge und brachten einige der hier lebenden Arten in Bedrängnis.
Das Verschwinden der Erlen beeinflusste beispielsweise die
Lebensgrundlage des Schwarzstorchs, denn das ins Wasser gefallene Laub der
Erlen ist ein wichtiger Teil der Nahrungskette. Bachflohkrebse ernähren sich
davon. Sie wiederum werden von der Bachforelle gefressen, die dann dem
Schwarzstorch als Nahrung dient. Auch das Überleben anderer Arten hängt von
diesem System ab.
Perlen in der Lutter
Im Naturschutzgebiet Lutter kommt der Bestandsentwicklung der
Flussperlmuschel eine besondere
Bedeutung zu. Das Tier mit dem wissenschaftlichen Gattungsnamen Margaritifera
(die Perlen tragende) hat einen besonders anfälligen Entwicklungszyklus. Neben
guter Wasserqualität benötigt die Flussperlmuschel einen grobkiesigen
Bachgrund. Für die Vermehrung spielen Bachforellen eine entscheidende Rolle.
Entwicklungsphasen der seltenen Flussperlmuschel
Dr. Reinhard Altmüller ist der Initiator der Lutter-Renaturierung. Er erläutert
einige interessante Zusammenhänge:
"Nach dem Schlüpfen müssen die winzigen
Muschellarven nach dem Zufallsprinzip an die Kiemen der Forellen gelangen. Dort
werden sie im Zuge der Wundheilung vom Kiemengewebe überwachsen und leben für
zehn Monate als Parasiten vom Fischblut. Am Ende dieses Lebensabschnittes sind
die Jungmuscheln einen halben Millimeter groß. Sie fallen von ihren
Wirtsfischen ab und sinken auf den Bachgrund. Dort, zwischen Kieseln und
Steinen, verbringen die Jungmuscheln rund sieben Jahre ein sehr verstecktes
Leben. Dann ist ihre harte Schale schließlich auf etwa drei cm Länge
herangewachsen und sie zeigen sich am Bachgrund."
Aus dem strömenden Wasser filtern sie fortan ihre Nahrung
und wenn die äußeren Umstände passen, kann die Flussperlmuschel über 100 Jahre
alt und bis zu elf Zentimeter groß werden. Eine Perle bilden dabei nur wenige
Muscheln. Schätzungsweise kommt etwa eine auf 500 bis 1.000 Muscheln.
Der Schatz der Lutter
In alter Zeit waren diese Perlen eine begehrte Kostbarkeit
und das Sammeln der Muscheln war verboten – beziehungsweise dem Herzog
vorbehalten. Die Muschelbestände genossen einen besonderen Schutz. Als beispielsweise
die Pächter der Lachendorfer Papiermühle 1669 und noch einmal 1714 den Antrag
stellten, die baufällige Mühle an der Lachte abzureißen und stattdessen an der
Lutter neu aufzubauen, wurde ihnen das von der Obrigkeit untersagt. Grund
dürften vor allem die Muschelbestände gewesen sein. Der Bestand an Flussperlmuscheln in der Lutter ging in
unserer Zeit stark zurück. Hauptgrund hierfür war die Verstopfung des
Lückensystems im Bachgrund durch unnatürlichen Sandeintrag, was neben den
Jungmuscheln auch der Forellenbrut schadete. Während in den 1930er-Jahren noch
etwa 50.000 Altmuscheln im Bach gezählt wurden, waren es bei einer Bestandserhebung
durch Wolf-Dietrich Bischoff und Rainer Dettmer im Jahr 1982 gerade einmal noch
rund 2.700 Exemplare. Trotz sofort begonnener Bemühungen, durch künstlichen Besatz
mit Jungmuscheln den Bestand zu stabilisieren, schrumpfte er weiter bis zum
Tiefststand von etwa 1.800 Tieren im Jahr 1994. Als Hauptproblem wurden nun die
eingebrachten Sandmengen entlarvt und man begann mit großem Aufwand, die
Natürlichkeit der Bachlandschaft wieder herzustellen, das Artensterben
aufzuhalten und den negativen Trend umzukehren.
Renaturierung der Lutter
Um dabei erfolgreich zu sein,
wurde das Naturschutzvorhaben an der Lutter großflächig
angegangen. Das gesamte Bachsystem sollte schrittweise wieder in eine
landschaftstypische und natürliche Form gebracht werden. Mehr als 1.100 Hektar
Flächen wurden zu diesem Zweck angekauft und für mehr als 500 Hektar
Nutzungsrechte erworben. Die Landschaft kann sich nach der Nutzungsaufgabe in
den sensiblen Bereichen wieder dynamisch und natürlich entwickeln. Menschliche
Einflüsse sollen im Naturschutzgebiet Lutter minimiert werden. Dafür mussten Stauanlagen rückgebaut und Sandfänge angelegt werden, um den enormen
Sandeintrag zu stoppen. Abwässer von landwirtschaftlichen Flächen fließen nun
nur noch geklärt in die Lutter. Das geschützte Kerngebiet umfasst eine Fläche von etwa 2.500
Hektar, das entspricht 25 Quadratkilometern.
Dazu gehören ebenso die Nebenbäche
Ahrbeck, Schmalwasser und Köttelbeck und auch die begleitenden Au- und
Bruchwälder sowie die nahen Moore und Quellbereiche.
Weil das
Naturschutzgroßprojekt eine nationale Bedeutung hat, wurde es entsprechend mit
Fördermitteln des Bundesumweltministeriums finanziert. In der Zeit von 1989 bis
2004 wurden 16,8 Millionen Euro investiert. Ein großer Anteil wurde für den
Kauf von Flächen aufgewendet. Dreiviertel der Summe übernahm das
Bundesumweltministerium. Das Land Niedersachsen beteiligte sich mit 15 Prozent
der Fördersumme. Den Rest finanzierten die Landkreise Gifhorn und Celle, durch
deren Landschaft die Lutter und ihre Nebenbäche fließen.
Sichtbare Erfolge im Naturschutzgebiet Lutter
Nach über 20 Jahren intensiver Arbeit spricht der
vorzeigbare Erfolg des Naturschutzgroßprojektes für sich. Kristallklares Wasser
und vergleichsweise geringe Abflussschwankungen prägen heute wieder den
Bachlauf.
Natürlicher Lebensraum für gefährdete Pflanzen- und Tierarten
220 Pflanzen- und Tierarten leben im Bereich der Lutter –
über 160 von ihnen gelten als gefährdet beziehungsweise als vom Aussterben
bedroht. Darunter sind gefährdete Insekten, wie die
- Scharlachlibelle
- die
Grüne Keiljungfer
Bedrohte Vögel finden hier wieder Nahrung und Rückzugsraum:
- Schwarzstorch
- Seeadler
- Kranich
Im Bach fühlen sich nun auch andere Tiere wieder wohl:
- Bachforelle
- Bachneunauge
- Groppe
- Elritze
- Fischotter
Das Wunderbarste aber ist, dass der Bestand der Flussperlmuschel in der Lutter seit Jahren wieder wächst.
Nach dem Tiefststand im Jahre 1994, als nur noch etwa 1.800 Muscheln im Bach lebten, werden nun wieder deutlich über 10.000 Exemplare gezählt, mit steigender Tendenz. "Diese positive Entwicklung ist einmalig in ganz Europa und zugleich Lohn und Bestätigung für den betriebenen Aufwand und für das großartige Engagement des gesamten Lutter-Teams", freut sich Reinhard Altmüller.
Erleben auch Sie die einzigartige Natur an der Lutter!
Nicht nur die Tierwelt profitiert davon. Zwar hat die Ungestörtheit der Natur an der Lutter oberste Priorität, nach Ablauf des geförderten Großprojektes ist aber auch für zeitgemäßes Naturerleben gesorgt. Im Naturpark Südheide haben Interessierte die Möglichkeit, zu Fuß oder mit dem Fahrrad diese einzigartige Naturlandschaft zu entdecken. Der Lutter-Radwanderweg bietet zwei Varianten: Die Nord-Tour "Vom Schatz der Lutter und kleinen Monstern" hat auf einer Länge von 40 Kilometern insgesamt elf Stationen und die Rundtour Süd "Von zauberhaften Wesen und fliegenden Edelsteinen" bietet bei einer Länge von 31 Kilometern zwölf Stationen, an denen Naturbegeisterte Wissenswertes vermittelt bekommen. Die erläuternde Broschüre ist in den Rathäusern und Tourismusinformationen der Region erhältlich.
Die Naturschutzbemühungen gehen weiter
Um die Wanderbewegungen der Fische zu ermöglichen und der wachsenden Flussperlmuschelpopulation weiteren Lebensraum anzubieten, werden jetzt Abschnitte der Lachte renaturiert. Seit 2009 steht auch die Lachte unter Naturschutz und durch die Reaktivierung von Altarmen und durch das Einbauen von Kiesbänken werden hier neue Möglichkeiten für den Artenschutz geschaffen.
Eine wahre Erfolgsgeschichte der Region Celle findet somit eine sinnvolle Fortsetzung.
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